Informationspflichten bei elektronischen Dienstleistungen und Verkäufen
Im ersten Teil haben wir gelernt, dass Unternehmer an Privatpersonen keine Rechnung ausstellen müssen. Für Online-Shop Betreiber und sonstige Digitalunternehmer stellt das eine zu begrüßende Vereinfachung beim Verkauf von digitalen Produkten und Dienstleistungen dar.
In diesem Teil gebe ich einen Überblick, welche Informationen wie und wann dem Käufer bereitgestellt werden müssen. Gerade der europäische Verbraucherschutz gilt als streng — wie kann die Erfüllung von Rechtsvorschriften mit einem möglichst unkomplizierten Bestellvorgang in Einklang gebracht werden?
Welche
Ganz zentral ist Artikel 246 des EGBGB. Dort wird aufgezählt, welche Pflichtinformationen dem Verbraucher mitzuteilen sind. Für elektronische Waren und Dienstleistungen im Sinne von Fernabsatzgeschäften gilt insbesondere Art. 246a §1 & Art. 246c des EGBGB.
Ein Fernabsatzgeschäft ist ein Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher, bei dem für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden. Fernkommunikationsmittel sind wiederum Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können.
Kurz, E-Commerce!
Wesentliche Informationspflichten aus Art. 246a BGB
- die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen in dem für das Kommunikationsmittel und für die Waren und Dienstleistungen angemessenen Umfang
- die Identität des Unternehmers(bspw. Handelsnamen), Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse
- den Gesamtpreis der Waren oder Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben
- die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, den Termin, bis zu dem der Unternehmer die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen muss
- gegebenenfalls die Funktionsweise digitaler Inhalte, einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen für solche Inhalte
- Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie Einzelheiten des angeführten Rechtes (Name und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erbringen ist, Rechtsfolgen des Widerrufs/der Rückgabe sowie Informationen zu dem Betrag, den der Verbraucher für den Fall des Widerrufs oder der Rückgabe für die erbrachte Dienstleistung gemäß § 357 BGB zu zahlen hat.)
- Ein Vorbehalt darüber, dass die versprochene Leistung im Falle ihrer Nichtverfügbarkeit nicht erbracht wird
- Der Gesamtpreis der Ware bzw. Dienstleistung inklusive aller Preisbestandteile
- Zusätzliche anfallende Liefer- und Versandkosten sowie ein Hinweis auf mögliche weitere Kosten, die nicht von Seiten des Unternehmers in Rechnung gestellt werden.
- Einzelheiten zur Zahlung (Vorkasse, Nachnahme, Rechnung) und zur Lieferung bzw. Leistung (Name des Zustelldienstes)
- Eine Befristung der Gültigkeitsdauer der zur Verfügung gestellten Informationen (z.B. befristete Angebote)
Weitere Informationspflichten — Art. 246c BGB zitiert
Bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr muss der Unternehmer den Kunden unterrichten
1. über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen,
2. darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist,
3. darüber, wie er mit den nach § 312i Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Verfügung gestellten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Vertragserklärung erkennen und berichtigen kann,
4. über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen und
5. über sämtliche einschlägigen Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft, sowie über die Möglichkeit eines elektronischen Zugangs zu diesen Regelwerken.
Kürzungen sind nur dann möglich, wenn das Fernkommunikationsmittel(z.B. eine Chat-App) über begrenzte Darstellungsmöglichkeiten verfügt(Art. 246a Abs. 3 EGBGB).
Zusammenfassend können wir festhalten: Unternehmer haben es mit einer Fülle an Pflichtinformationen zu tun. Schließt sich die Frage an, wie diese Informationen dem Käufer präsentiert werden müssen.
Wie
In den meisten Fällen reicht ein deutlicher Verweis auf AGB, Widerrufsbelehrung und co., wo die meisten Informationen klar und verständlich(formale Anforderungen gem. Art. 246a Abs.4 EGBGB) niedergeschrieben sind.
Ein klassischer Online-Shop umfasst Impressum, Rechtstexte wie AGB, Widerrufsbelehrung und einen rechtskonformen Bestellvorgang. Glücklicherweise muss der Käufer nur auf die Pflichtinformationen aufmerksam gemacht werden, indem etwa auf die Widerrufsbelehrung und die AGB verwiesen und verlinkt wird und das Impressum von jeder Website-Seite aus zu finden ist.
Weiterhin herrscht teilweise eine Kluft zwischen Gesetz und Praxis. Muss man wirklich jeden einzelnen Schritt bis zum Vertragsabschluss dokumentieren und niederschreiben(Art. 246c 1. EGBGB)? Laut it-recht-kanzlei.de kann der Bestellvorgang derart gestaltet sein, dass dies nicht nötig ist. Generell hat sich beim Schreiben dieses Artikels die Website it-recht-kanzlei.de als sehr hilfreich erwiesen.
Die Kanzlei geht zudem davon aus, dass das Setzen eines Häkchens, als Bestätigung der Kenntnisnahme der AGB und der Widerrufsbelehrung, nicht erforderlich ist - eine wichtige Vereinfachung für einen möglichst reibungslosen Bestellvorgang.
Auf jede einzelne Information und deren genaue Einbindung in den Bestellvorgang einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Hierfür ist eine Beispiel-Shop geplant, wo alle Informationspflichten praxisnah Berücksichtigung finden sollen. So viel vorneweg, beim Verkauf mittels IOTA wird es zu Vereinfachungen kommen, etwa bei den Zahlungs- und Lieferbedingungen.
Wann
Grundsätzlich muss der Unternehmer seine Informationspflichten vor Vertragsschluss erfüllen. So heißt es in Artikel 246 BGB:
vor Abgabe von dessen Vertragserklärung
Ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden, muss spätestens zu Beginn des Bestellvorgangs für den Verbraucher ersichtlich sein(Art. 312j BGB).
Nachvertragliche Informationspflicht
Nach dem Kauf ist vor dem Kauf. Okay, nicht ganz. Trotzdem muss bei Fernabsatzgeschäften dem Verbraucher eine Bestätigung des Vertrags mit allen Pflichtinformationen, spätestens bei Lieferung der bestellten Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden(§312f Abs. 2 BGB).
Dauerhafte Datenträger können sein: Papier (Faxe, Fotokopien), Vorrichtungen zur Speicherung digitaler Daten (USB-Stick, CD-ROM, Speicherkarten, Festplatten), E-Mails.. und auch DLT?
Daher wird bei klassischen Online-Verkäufen immer mindestens die E-Mail Adresse des Verbrauchers erfragt und an diese, nach Bestellung, die Bestellbestätigung inklusive aller Vertragsdetails(AGB, Widerrufsbelehrung) gesendet. Dadurch soll der Vertragsinhalt für den Käufer festgehalten und vor nachträglicher Manipulation geschützt werden. Es reicht nicht aus die Vertragsunterlagen auf der Unternehmer-Website verfügbar zu machen.
Dieser Umstand stellt uns vor eine Herausforderung. Bisher brauchten wir weder Namen, noch Adresse oder E-Mail des Kunden in Erfahrung bringen. Durch die nachträgliche Informationspflicht könnte es erstmalig erforderlich sein personenbezogene Daten in Form von E-Mail Adressen zu erfassen, damit Informationen nach dem Kauf in den Machtbereich des Kunden gelangen können.
Kryptogeschäfte vs Krypto-Zahlungsmethode
Bei reinen Kryptogeschäften wie z.B. NFT Transaktionen werden von der Verkäuferseite keine E-Mail Adressen in Erfahrung gebracht. Das Zusenden von Vertragsinhalten an den Käufer erfolgt in der Regel nicht und ist, sofern ein gewerblicher Verkauf, daher mit deutschem Gesetz nicht vereinbar.
Wird Krypto hingegen nur als Zahlungsmethode in einen gängigen Online-Verkaufsvorgang mit E-Mail, Rechnungs- und Versandadresse eingebettet, können die Auflagen des §312f Abs. 2 BGB gleich auf mehreren Wegen erfüllt werden.
DLT als permanenter Datenträger
Eine Idee wäre es, die Vertragsdetails im Tangle oder einem anderen DLT zu speichern. Vorteil eines solchen Datenträgers ist die permanente und unveränderliche Speicherung von Daten. Vertragsinhalte könnten dann nicht mehr nachträglich vom Unternehmer geändert werden.
Datenträger ist jedes Medium, das
1. es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
2. geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.
Eine Herausforderung beim Einsatz von Distributed Ledger Technology als permanenter Datenträger ist, dass die Vertragsinhalte prinzipiell öffentlich, für jeden einsehbar, im Ledger gespeichert werden. Der Datenträger ist darüberhinaus nicht im Besitz des Kunden, wie etwa ein zugestellter Brief oder die Festplatte des Kunden-PCs. Abhilfe schaffen, könnten verschlüsselte Vertragsdokumente im PDF Format, die per Tx in den Tange geschrieben werden. Ich möchte darauf hinweisen: Nur aufgrund des Gebührenfreiheit des IOTA Netzwerks rückt diese Lösung in den Bereich des ökonomisch Sinnvollen. Zusätzlich kann diese Lösung bei Problemen bei der Zustellbarkeit Abhilfe schaffen. Ein unternehmerisches Ärgernis lautet nämlich wie folgt:
Der Zugang ist entscheidend! Und dafür zu sorgen, hat der Verkäufer! Stimmt die vom Kunden angegebene E-Mail Adresse nicht, etwa, weil vom Mailer Daemon ein unzustellbar zurückkommt, muss der Händler die Vertragsdetails womöglich postalisch zustellen.
Tangle — Permanent oder nicht?
Eignet sich denn nun der Tangle als permanenter Speicher für einen angemessenen Zeitraum? Eins vorneweg, Datenpersistenz im Tangle ist immer wieder Thema. IOTA ist noch nicht fertig entwickelt, daher lässt sich nicht final klären wie lange in den Tangle geschriebene Daten verfügbar sein werden.
Wahrscheinlich ist darauf abzustellen, welche Art von Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher geschlossen wird. Es macht einen Unterschied, ob ein kurzlebiges Produkt, wie etwa ein Datenpaket mit schnell ablaufender Aktualität, oder ein unbefristetes Abonnement an den Kunden verkauft wird. Je nach dem wie lange das Vertragsverhältnis besteht, kann die aktuelle und zukünftige Datenpersistenz im Tangle bereits ausreichen.
Festplatte als permanenter Datenträger
Eine weitere Lösung, unabhängig von Tangle und co., kann der Browser-Download nach Vertragsabschluss darstellen. Nach Bestellung oder Zahlung, werden die Vertragsdetails als PDF automatisch heruntergeladen.
Fraglich bleibt, wie garantiert werden kann, dass der Download auch tatsächlich erfolgt und die Zustellung erfolgt ist. Manch ein Web-Browser könnte den Download blockieren, sodass schlussendlich die Vertragsdetails doch nicht auf der Festplatte des Kundenrechners landen. Ein weiteres Manko ist das Zumüllen des Download-Ordners oder gar der Festplatte bei häufigen Einkäufen.
Widerrufsrecht
Ein besonderes Augenmerk bei Fernabsatzgeschäften gilt dem Widerrufsrecht. Haben Unternehmer und Verbraucher einen Vertrag außerhalb eines Geschäftsraums, im Internet oder am Telefon abgeschlossen, steht den Verbrauchern ein Widerrufsrecht zu. Das Widerrufsrecht gilt in der Regel 14 Tage nach Abschluss eines Vertrages oder dem Erhalt bestellter Ware. Um einen Vertrag zu widerrufen, muss der Verbraucher dies dem Unternehmer mitteilen. Die Intention dahinter ist relativ klar. Im Internet Bestelltes kann bei Vertragsabschluss, trotz etwaiger Bilder oder Beschreibung, nicht 100% zuverlässig eingeschätzt werden. Ist man mit der gekauften Ware unzufrieden, darf man den Vertrag widerrufen.
Teil der Pflichtinformationen ist es, über das Bestehen eines Widerrufsrecht und dessen Einzelheiten zu informieren. Auch dann, wenn dieses Recht frühzeitig erloschen ist. Beim Verkauf von digitalen Inhalten kann (und sollte) nämlich das Widerrufsrecht vorzeitig erlöschen(§ 356 Abs. 5 BGB). Über das vorzeitige Erlöschen muss der Verbraucher ebenfalls vor Vertragsschluss informiert und seine Bestätigung eingeholt werden. An dieser Stelle brauchen wir grundsätzlich also doch eine Checkbox. Je nach Produkt und Kaufbetrag könnte man überlegen, das Risiko einzugehen und diese wegzulassen. Bei Kleinstbeträgen ist das finanzielle Risiko überschaubar und der Verkäufer sehr wahrscheinlich nicht erpicht auf ein fragliches Widerrufsrecht zu pochen. Alternativ könnte man bei sehr kleinen Beträgen das Widerrufsrecht bestehen lassen.
Weitere Informationspflichten
Noch mehr? Ja. Weitere Informationspflichten ergeben sich aus der europäischen Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO. Nutzer müssen unterrichtet werden welche personenbezogene Daten wie verwendet werden. Selbst wenn wir keine Daten direkt vom Kunden erfragen, erfasst der Hoster unserer Website log-Dateien, die unter anderem die IP-Adresse des Kunden beinhalten. Diese Daten werden verarbeitet und meist gespeichert. Nutzt unser Kommunikationsmittel Cookies, sind wir verpflichtet den Nutzer per Cookie Banner gleich zu Beginn zu informieren und Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der Setzung zu geben.
Verkaufen wir etwas über ein anderes Fernkommunikationsmittel, wie z.B. Discord oder Telegram, erfassen wir author oder user IDs. Hierüber muss ebenfalls aufgeklärt werden.
Fazit
Die heutige Rechtslage für den klassischen Checkout im Online-Shop ist ziemlich lückenlos geklärt. Untersuchungsgegenstand bleibt wie Pflichtinformationen in Nicht-Websiten wie Messenger-Diensten oder API-Schnittstellen rechtssicher eingebunden werden können. Wie solche Ansätze rechtskonform gestaltet werden können, ist am besten von einem Rechtsanwalt zu prüfen. Eine Spendenadresse für mehr regulatorische Klarheit für innovative Verkaufskanäle mittels IOTA folgt am Ende.
Vom Unternehmer verlangte Pflichtinformationen sollen Verbraucher aufklären. Problematisch für einen schnellen, reibungslosen Bestellprozess ist nur die nachträgliche Informationspflicht. Das Gesetz schreibt hier vor, dass der geschlossene Vertrag dem Käufer auf einem dauerhaften Datenträger zugehen muss. In der Praxis wird hierfür meist der E-Mail Versand gewählt und die E-Mail Adresse abgefragt. Um dies zu umgehen, werden zwei Lösungsansätze vorgeschlagen, die im nächsten Schritt, in der Praxis erprobt werden sollen.
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